Persönliche Pläne2002
Kunsthalle Basel
23. März bis 12. Mai
Gruppenausstellung
“Was Zeichnung sei - wer weiß das schon zu sagen? Der Bezeichnungsweise und Bezeichnungsform nach ist Zeichnung sowohl Tätigkeit wie Vorgang, Zeichnung gilt ebenso als Handwerk, Fertigung und Arbeit, als Werk, zudem als Prozeß und Produktion, als Schaffung, Hervorbringung und ... more
Image Gallery +Persönliche Pläne2002
Kunsthalle Basel
23. März bis 12. Mai
Gruppenausstellung
“Was Zeichnung sei - wer weiß das schon zu sagen? Der Bezeichnungsweise und Bezeichnungsform nach ist Zeichnung sowohl Tätigkeit wie Vorgang, Zeichnung gilt ebenso als Handwerk, Fertigung und Arbeit, als Werk, zudem als Prozeß und Produktion, als Schaffung, Hervorbringung und Entfaltung sowie als Technik und Methode, Fertigkeit und Verfahren, schließlich als Handhabung und Praktik. Insofern ist Zeichnung zugleich Gegenstand, Faktum und Gestalt des Zeichnens oder von Zeichen...“
Vom Raum zur Fläche Anna Amadios raumfüllenden Arbeiten seit 1995, jenen lichtdurchlässigen Luftobjekten aus transparenter Polyäthylenfolie, folgten 1999 farbintensive Filzstiftzeichnungen und jetzt die in der Kunsthalle Basel erstmals ausgestellten schwarzweissen Bleistiftzeichnungen. Die Künstlerin beschreibt diese Verlagerung als „...ein Ausbrechen aus der architektonischen Vorgabe. Es war für mich ein unbekanntes Terrain, ohne Raumbezug und dritte Dimension zu arbeiten. Bei den Luftobjekten liegt die Kraft im Physikalischen. Zeichnen ist sehr direkt, die Kraft liegt eher im Gestus oder im Temperament der Strichführung."
Gleichzeitigkeit und Nacheinander Die Künstlerin schöpft die Ideen für ihre Luftobjekte aus einer Sammlung von Architekturbildern, die in letzter Zeit bevorzugt Nomadenbehausungen zeigen. „Es gibt ein Foto von einem Zelt und einer Holzhütte im südamerikanischen Hochgebirge. Das Auffallende daran ist, dass die beiden direkt aneinander liegen. Die Umgebung oder Witterung passte sie optisch einander an. Diese ungewöhnliche Kombination, diese eigenartige Anordnung gefällt mir. Wie werden die Behausungen genutzt, kommt das Zelt beim Wegziehen in die Hütte oder wird es mitgenommen? Was bleibt stehen? Vielleicht kommen die Leute zurück, vielleicht auch nicht..."
Während Amadios Luftobjekte dementsprechend immer dinghaft erscheinen und mit dem Anspruch auf Realität auftreten, verharren die Zeichnungen im Modus der Möglichkeiten und betonen neben der häufig spielerischen Variation von Formen die Fragilität und Immaterialität des Mediums Zeichnung. Gemeinsam aber ist beiden Bereichen zum einen eine Orientierung an der Linie, zum anderen ein Denken bzw. Arbeiten in Schichten: Die aus inneren und äußeren Hüllen gebildeten Skulpturen wirken, trotz ihrer Wucht und Instabilität, durch die handgeschweißten Nähte wie einfache, sinnlich präsente Zeichnungen im Raum, die lediglich von der physikalischen Kraft der Luft getragen werden.
Die Zeichnungen selbst sind, neben ihrer übereinandergeschichteten, schwerelos erscheinenden Anordnung von fixierten Bewegungsspuren, Collagen verschiedener Techniken. Trotz der ständischen methodischen Kontrolle tritt das Interesse der Künstlerin am Prozesshaften sowohl bei den farbigen als auch bei den schwarzweissen Zeichnungen deutlich hervor. So wechseln im Bild konstruiert erscheinende, da mit Schablonen sorgfältig gezeichnete Flächen, streng geometrische Formen und gerichtete, als Abläufe zu verstehende Bewegungen mit frei improvisierten, impulsiv entwickelten Partien aus freihändig gezogenen Linien: "Es sind gleichzeitig kontrollierte und völlig unkontrollierte Momente, es gibt verwirrende Perspektiven und eingeschobene Wucherungen." Die Zeichnungen leben letztendlich von diesem Neben- und Durcheinander der Linien, ihren Überlagerungen und Verdoppelungen sowie dem Rhythmus der parallelen Bildverschiebungen. Die Stifte werden dabei zuweilen in den verschiedenen Zeichenschichten gleichzeitig und parallel über den Malgrund geführt und knüpfen in dieser Gestik des Automatismus, die ein unbewusstes Aufzeichnen mit spontaner Aktion verknüpft, unmittelbar an die surrealistische „écriture automatique„ an. Erzeugt werden harmonische, flirrend-leuchtende, unscharfe und verschattete Farbverbindungen. Wellige Linien wechseln mit Geraden und Winkeln, örtlichen Farbverdichtungen und feinen Liniengespinsten, die Büschel in knalligen Farben bilden - eine gestaltlose, amorphe und gegenstandslose Welt, die jedoch zuweilen konkrete, abbildende Gestalt anzunehmen scheint. Bestimmte Formen werden herausgebildet, etwa wenn Linienfolgen in der Phantasie zur Illusion von sich bewegenden Unterwasserlandschaften werden oder an andere vegetabile Silhouetten erinnern, ohne in der Eindeutigkeit zu münden. Eine permanente Reflexivität kennzeichnet die Zeichnungen, denn Mittel und Materialen sind zugleich Gegenstand der Darstellung selbst.
Von Farbe zu Schwarzweiss In ihren neuen schwarzweissen Zeichnungen ist der Zeichengrund vollständig mit Bleistiftlinien abgedeckt und wird zum Hintergrund für eine weitere Ebene von Mustern und Markierungen. "Die Gestalten im Vordergrund wirken durch den siebenfachen Strich wie elektrisiert und angestachelt - sie flirren und bewegen sich, sind schwer greifbar und transparent. Sie wirken leicht und auch etwas unheimlich." Verschwimmende und nebelartige Partien verunklären die Perspektive, erzeugen eine Spannung der wechselnden Form- und Bezugsverhältnisse und eröffnen andere Wahrnehmungen. Diese neue Schwarzweiss-Ästhetik im Werk Anna Amadios erscheint wie ein Prozess der Versachlichung, Formen treten deutlicher hervor, Kontraste verstärken sich.
In Basel zeigt die Künstlerin ein neues zeltartiges Luftobjekt gemeinsam mit schwarzweissen Zeichnungen. "Beides kann man wie Abbildungen aus ein und derselben Landschaft verstehen. Die Zeichnungen zeigen eine Art Bio-Fiction, eine von mir empfundene Umgebung. Die Luftobjekte haben zwar ihren formalen Ursprung in der Realität, fügen sich aber durch ihre irreale Erscheinung in diese Landschaft ein. Wenn das so aufgeht, bin ich wohl darin die Landstreicherin..."
Künstlerinnen und Künstler:
Rita Ackermann, Anna Amadio, Edgar Arceneaux, Thomas Baumann, Annelise Coste und Andro Wekua, Russel Crotty, Karim Noureldin, Daniel Roth, Yehudit Sasportas, Silke Schatz, Frances Stark
Text Ulrike Groos
Fotografien Serge Hasenböhler
Zeriba, Zeichnungen Bleistift Nummer 39 - 43 |2002
Zeriba, Zeichnungen Bleistift Nummer 39 - 43 |2002
Benzanozano |2002 |Bleistift auf Papier |150 x 298 cm [H W D]
Nakua |2002 |Bleistift auf Papier |150 x 295 cm [H W D]