Gizmo's Kiss2005

Können Häuser küssen? Wer weiss das schon. «Gizmo's Kiss» jedenfalls nennt Anna Amadio ihre raumgreifende Installation für den Kunstverein im südbadischen Freiburg. Von New York, wo die Künstlerin aus Basel als ISCP- Stipendiatin weilte, hat sie dafür Architekturzitate mitgebracht. Farbig übertünchte Gebäude in Big Apple, deren Fassadenstrukturen sich durch vielfache Übermalungen auflösten, gewannen für sie den Anstrich plastischer Objekte: Gizmos.

Bislang war die Künstlerin aus Basel mit raumgreifenden Luftobjekten aus transparenten Kunststofffolien aufgefallen, die trotz ihrer Grösse schwerelos wirken und als luftige Architekturen - mit ihren eigenen Worten - «im Weg rumstehen, ohne klare Funktion». Daneben kannte man von ihr serielle Bleistift-, Bunt- und Filzstiftzeichnungen. Sich immer wieder Neuem auszusetzen, ist Anna Amadios Passion: Zu zeichnen begann sie, weil sie zeichnen nach eigenem Eingeständnis nicht konnte. Sie tat es mit hinreissendem Erfolg.

Neuland hat sie jetzt auch mit ihrer die Halle des Freiburger Kunstvereins weitgehend ausfüllenden skulpturalen Installation betreten. Als Synthese aus plastischem Objekt und Raumzeichnung integriert das Werk einerseits die Kunstgattungen, in denen Amadio bislang gearbeitet hat. Andererseits verwendet sie hier zum ersten Mal den pneumatischen Objekten exakt entgegen gesetzte Vakuumisierungstechnik.

Zeichnet für die Oberflächenstruktur des fugenlos abgedichteten, riesigen Objekts doch der Betrieb einer im Boden versenkten Vakuumpumpe verantwortlich. Die dadurch angesaugte poppig-bunte PVC-Folie lässt die Materialfeinstruktur des aus Elementen wie Getränkekisten gebildeten Unterbaus erst hervortreten. In Grösse und Form wie in den Abdruckstrukturen zitiert das Objekt Architekturelemente wie Fassade, Fenster und Tür. Der knallig-bunte Riesenquader im «white cube» der Kunst - ein Haus im Haus, das dem Besucher einzig die Rolle eines flanierenden Randgängers seines ausgreifenden Volumens lässt.
Gleichzeitig wirkt das Objekt wie ein Lebewesen - ein gestrandeter Wal oder unbenennbares Fabeltier: «Gizmo» ist im Amerikanischen exakt die Bezeichnung für solche begriffliche Nichtfassbarkeit. Jedenfalls ist das Ding sichtbar mit Leben erfüllt. Nicht nur, dass sich die Form des Knochengerüsts aus Getränkekisten und anderen Gebrauchsgegenständen infolge tageszeitlich schwankender Temperatur- und Luft- und damit Druckverhältnisse stetig sacht verändert. Sondern in den Falten, die sie wirft, wirkt die Kunststofffolie wie eine lebendige Haut.

Und wenn schon Amadios zeichnerische Frottagen den Charakter erotischen Abtastens haben, dann umso mehr die «plastischen» dieses Objekts, das ja laut Titel auch - küsst. Und jedenfalls reichen Anlass bietet, sich betrachtend in seine voluptuösen Formen zu vertiefen. Im sinnlichen Überfluss der Farben und Formen mutet es wie ein Sinnbild der aller Kunst innewohnenden Verheissung schrankenloser Erfüllung an.

Text Hans-Dieter Fonz

Gizmo's Kiss |2005 |PVC Folie, Vakuumtechnik, Stahlkonstruktion, Plastikelemente |500 x 750 x 1800 cm [H W D]