Im Gaumen des Clowns2007

Frehrking Wiesehöfer, Köln
02. März bis 07. April 2007

In ihrer dritten Ausstellung in unserer Galerie zeigt Anna Amadio nach den raumfüllenden Installationen im Kunstverein Freiburg und im Kunstmuseum Thun ihre dritte große Vakuum-Skulptur, gemeinsam mit einer neu entwickelten Serie von gummiartigen Zeichnungen: dem Dialog eines Clowns mit einer arbeitenden Person...

Dem L-förmigen Raum der Galerie folgend installiert Anna Amadio eine in farbige PVC-Folie eingeschlossene Struktur, die an einen absurderweise um die Ecke gestellten Konferenztisch mit Stühlen erinnert. Durch ständiges Absaugen der Luft entsteht ein Vakuum, welches die Formen unter der Folie teilweise erkennen läßt, diese aber auch nachhaltig verformt. Die jetzige Erscheinung der Folie läßt zuweilen an große Mengen ausgeschütteter Farbe und monochrome Malerei denken.

Ein mit Spannung und Druck aufgeladenes Zwiegespräch zwischen innen und außen entsteht, die gespannten PVC-Häute verfolgend fühlt man sich in eine Art Resonanzraum versetzt, welcher sowohl den physischen Druck nachvollziehen läßt wie auch psychologische Momente eröffnet: die fröhliche Farbigkeit und die nahezu fetischhafte, Materialität kippen in ihrer zunächst positiven, lustvollen Intensität leicht um in einen Missklang aus Klaustrophobie, Irrsinn und Exzentrik - ein von der Künstlerin durchaus beabsichtigter skulpturaler Overload, der in seiner Wirkung noch einmal verstärkt wird durch die an den Wänden gehängten Gummi-Bilder der Serie "Im Gaumen des Clowns":

Die nicht minder farbenfrohen Bilder formulieren das in der Vakuum-Skulptur angelegte Wechselspiel von Raum und "Leistungsdruck" auf erzählerische Weise, fast wie in einem Comic: In dem immer gleichen Arbeitsraum spannt sich über mehr als 30 Bilder eine Interaktion zwischen der arbeitenden Person – der Künstlerin selbst – und einem Clown, der diese mal ablenkt, mal nachäfft und karikiert. Anna Amadio arbeitet in dieser Serie mit einer eigens angefertigten Mischung aus Klebstoff und Acrylfarbe, welche in Schichten von Vorder- und Hintergrund aufgetragen und nach dem Trocknen zu eine Art Folie geworden sind.

Die Arbeitende wirkt konzentriert und abwesend zugleich, möglicherweise nach Inspiration und Motivation suchend, der Clown scheint aufgekratzt und voller Tatendrang, mal mit Mikrofon, mal Luftgitarre spielend, mal eine zweite Maske anbietend. Unklar bleibt, inwiefern beide Figuren wirklich aufeinander reagieren oder unabhängig sind, bzw. ob die Bilder einen Dialog oder eher Einbildung und Monolog vorführen. Abgesehen davon liegen je nach Sichtweise die Rollen von Clown und Künstler ohnehin sehr nah beisammen:

Clowns sind Figuren des Mangels. Sie sind aus der Welt der Besitzbaren Werte verstossen. Sie kehren der schützenden Geborgenheit der bürgerlichen Welt absichtlich den Rücken und demonstrieren Einsamkeit im öffentlichen Trubel. Sie revoltieren gegen die Langeweile jedes verordneten Systems, gegen stumpfe Pietät und müde Hoffnung, gegen den beängstigend reibungslosen Ablauf, gegen fugenlose Totalität, die Schlupflöcher verbaut und Spontanität als nicht planbar verdammt. Das Ordnungsgefüge des Spiels nimmt den Spieler gleichsam in sich auf, beherbergt ihn und entbindet ihn damit von der Aufgabe der Initiative, die die eigentliche Anstrengung des Daseins ausmacht. Die Spielwelt ist eine geschlossene Welt gegenüber der Welt der Zwecke, in die die Persistenz des Höllenlichts nicht reicht, jener gleichsam geheiligte Bezirk, in den einzudringen nur wenigen vergönnt scheint. (Constantin von Barloewen: "Clown. Zur Phänomenologie des Stolperns", Königstein 1981)

Text Markus Frehrking

Fotografien Galerie Frehrking Wiesehöfer, Köln