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For Winners!2012

Lullin+Ferrari, Zürich
27. Oktober bis 1. Dezember 2012

Die Künstlerin stellt drei verschiedene Werkgruppen vor, die sich gegenseitig ergänzen, aber auch im Widerspruch zueinander stehen. Im ersten zur Strasse hin sichtbaren Schaufensterraum platziert Anna Amadio zwei grossformatige goldige Reliefbilder und stellt würdevoll, in die Mitte d ... mehr

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For Winners!2012

Lullin+Ferrari, Zürich
27. Oktober bis 1. Dezember 2012

Die Künstlerin stellt drei verschiedene Werkgruppen vor, die sich gegenseitig ergänzen, aber auch im Widerspruch zueinander stehen. Im ersten zur Strasse hin sichtbaren Schaufensterraum platziert Anna Amadio zwei grossformatige goldige Reliefbilder und stellt würdevoll, in die Mitte des Raumes auf einen verspiegelten Sockel, eine aus Zweigen und goldener Farbe gefügte, kleine Plastik namens For Winners. Der goldene Raum ist für Sieger gemünzt. Gewinner werden mit goldenen Medaillen ausgezeichnet. Im Titel finden sich weitere Verweise und Fragestellungen. Wer sind diese Gewinner? Ist es die Künstlerin, die eine Ausstellung realisiert hat, oder die Besucher der Schau? Wem gilt die Maxime "For Winners"?

 

In der Ausstellung For Winners wird exemplarisch das Kunstwollen von Anna Amadio, die innere Notwendigkeit und Entfaltung ihrer künstlerischen Arbeit sicht- und greifbar. In einigen prägnanten Äusserungen erläutert die Künstlerin den Entstehungszusammenhang der neuesten, den mittleren Raum besetzenden, skulpturalen Arbeiten. Sie sind eine Reaktion auf eine Gruppe von Stillleben, die erstmals in einer Ausstellung im Jahr 2010 in Köln gezeigt wurde. In der Ausstellung For Winners ist diese Werkgruppe exemplarisch mit zwei Arbeiten Von Lebak bis Sesann Nummer 9 und Nummer 10 vertreten. Anna Amadio hat die Stillleben der Kölner Ausstellung bewusst, im Sinne eines konzeptuellen Kontrapunkts zur Idee der Nature morte, durch deren Herstellung mit einem Zeitfaktor versehen: Durch das Vakuumisieren des nassen Bildmotives wird die Vollendung des Bildes, die fertige Malerei hinausgezögert. Das langsame Trocknen der Farben bewirkt, dass das Bild sich verändert und in Bewegung bleibt. Aus der Nature Morte wird ein sich bewegendes Bild. Verschiedene Faktoren bestimmen die Erscheinung des Endprodukts; die Farbmischung, der sich im Bildinneren befindliche Druck, Gravitation, Raumtemperatur beeinflussen und verändern das Stillleben. Der genaue Zeitpunkt der Fertigstellung der Bilder ist nicht eindeutig und für jedes der Bilder verschieden.

 

Diese "fliessende" Erfahrung weckte bei der Künstlerin das intuitive Bedürfnis nach einem Punkt, einem genau bestimmbaren Zeitraum. Sie strebte nach einer Beschränkung des Zufalls, der Kontingenz. Somit drängte sich ihr die Arbeit mit der Form des Punktes auf. Der Punkt ist als Form das abgeschlossenste und lesbarste Zeichen – die verständlichste Behauptung und Setzung überhaupt. Der Punkt steht am Schluss eines Satzes. Er kann aber auch inhaltlich am Anfang einer Diskussion stehen und bestimmt eine Argumentation. Punkte werden gegeben, verteilt, abgestrichen und vorgehalten. Sie besitzen durchaus Abstufungen: Punkte können als schwach oder stark gelten. Ein Punkt kann sachlich oder emotional vorgebracht werden. Er drückt etwas aus, ab oder weg. Der Punkt ist mächtig, aber er ist auch manipulierbar oder kann als minder wichtig eingestuft werden. Der Punkt hat seinen Wert. Je mehr und grösser der Punkt geformt wird, desto mehr verliert er sich in der Fläche und ist als Ausgangspunkt nicht mehr lesbar: Er hängt durch, wölbt und drängt sich um den Träger, schlappt runter und vermischt sich mit anderen kleingebliebenen Punkten oder gross gewordenen Flächen. Diese verlorenen Punkte, die Flächen, die die vorausgehende Punktform eingebüsst haben, gewinnen im Gegenzug an Farbpräsenz, Strahlkraft und Formbarkeit. Sie sind anpassungsfähig, geschmeidig, weich, kontaktfreudig und kommunikativ. Ohne ihren Ursprung zu verleugnen haben sie ihren Auftrag zu Punkten zurückgestuft.

 

Die freistehenden, allein erkennbaren, oder angesammelten kleinen, mittleren oder grossen Punkte üben in den skulpturalen Arbeiten von Anna Amadio einen Druck auf den Farbträger aus. Das Gewicht der jeweils runden Kleckse drückt die Äste zu Boden; sie werden für sie zu einer Last. In der Ausarbeitung sowohl der Punkt-Arbeiten als auch der Stillleben sind Fragen der Gravitation und räumlichen Orientierung massgebend. Bei den Stillleben trug Anna Amadio das Motiv horizontal auf und stellte die Bilder vertikal auf. Bei den neuen Skulpturen brachte die Künstlerin die Punkte jeweils beidseitig der liegenden Äste horizontal an. Die Gravitationskraft bestimmt die Form mit. Die künstlerische Produktion unterliegt somit nicht lediglich den Eingriffen von Anna Amadio, sondern wird auch physikalischen Prozessen bewusst übergeben.

 

Anna Amadio versteht sich in erster Linie als Plastikerin und dies beinahe im eigentlichen Sinne des Wortes. Sie ist mit vielen Einzelausstellungen im In- und Ausland hervorgetreten und zählt zu den bedeutensten schweizer Künstlerinnen. In ihrem Werk finden sich grosse Innovationskraft und genaue Beharrlichkeit. 

 

Text Etienne Lullin

Fotografien Galerie Lullin+Ferrari

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